Wenn man im nördlichen Osnabrücker Land bei Bippen zuhause ist, kann es gut sein, dass man Anfang Januar über eine sogenannte „Tunschere“ vor der eigenen Haustür stolpert. Dabei handelt es sich um einen speziellen Neujahrsgruß, der alljährig von Freunden und Verwandten überbracht wird. Doch wie genau sieht eine „Tunschere“ aus und was hat es mit diesem besonderen Brauch auf sich?
Wer jetzt an eine Spitze Schere denkt, die sich vielleicht sogar zur gefährlichen Stolperfalle entwickeln könnte, der hat sich geschnitten. Im Gegenteil, die „Tunschere“ ist eine wunderschöne Dekoration, die stets in echter Handarbeit entsteht und ein hohes Maß an Geschicklichkeit erfordert: Aus getrockneten Holzstäben werden mit einem speziellen Gerät „Krüllen“ (plattdeutsch für „Locken“) hergestellt. Diese werden auf eine gelochte Scheibe gesteckt und anschließend mit Papierblumen und einem Wünschespruch verziert – fertig ist eine „Tunschere“! Bis eine einzelne „Tunschere“ fertiggestellt ist, können gut und gerne drei Tage vergehen.
Nachdem der Neujahrsgruß vor der Haustür platziert wurde, gilt es sich schnell zu verstecken. Die Hausbewohner*innen haben daraufhin traditionell die Aufgabe, die Überbringer der „Tunschere“ zu suchen und zum Essen einzuladen, sobald sie gefunden wurden.
Dieser traditionelle Brauch geht mindestens bis ins 11. Jahrhundert zurück. Der Name rührt von den „Tunscharen“ her. So wurden die Dorfbewohner genannt, die an den Grenzmauern eines Hofes wohnten. Als Geste der Zuwendung überbrachten sie dem Herrenhaus zur Jahreswende ein Gesteck aus Holzblumen und bunten Bändern.
Dieses Video zeigt, wie eine „Tunschere“ hergestellt werden kann:
Fotos: Sandra Fenstermann